Andreas Fett (L)
Betreuer der Klettergruppe der Magdalenenschule
An einer Wand zu klettern bedeutet Abenteuer erleben, Kräfte messen, Probleme lösen, mit alpiner Ausrüstung umzugehen und schließlich auch Freundschaft mit Gleichgesinnten zu erfahren. Der grundlegende Vorteil beim Klettern an einer Kletterwand ist zunächst einmal die Bewegung selbst. Denn Bewegung und körperliche Betätigung sind wichtig für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden. Eine Kletterwand bietet hierfür sehr gute Voraussetzungen. Durch das Klettern werden die Muskeln darauf trainiert, das eigene Körpergewicht zu halten und unter Kontrolle zu bringen.
Im Wesentlichen werden durch das Klettern die Wahrnehmung, die Motorik, verschiedene kognitive Prozesse und Kompetenzen im sozialen Bereich aktiv gefördert.
Für den Bereich der Wahrnehmung ist vor allem die Schulung des Gleichgewichts beim Klettern von ausschlaggebender Bedeutung. Die Lage des Körperschwerpunkts muss ständig kontrolliert und verändert werden, damit sich der Kletterer in der Wand halten kann. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist hierbei die Eigenwahrnehmung, man spricht in diesem Zusammenhang auch von Tiefensensibilität. Eine ausgeprägte Tiefensensibilität ermöglicht es, Empfindungen für Bewegungen und die Lage und Haltung des eigenen Körpers im Raum wahrzunehmen und gegebenenfalls zu korrigieren sowie komplexe Bewegungs-abläufe überhaupt ausführen zu können. Neben der erhöhten Sensibilisierung der Körperwahrnehmung, verbessert das Klettern aber auch den Muskeltonus (Spannungszustand von Muskeln und Muskelgruppen) und steigert die Konzentrationsspanne. Die Gesamtkoordination des Körpers wird trainiert, wobei Körperspannung, Kraft und Technik eine wesentliche Rolle spielen.
Ein weiterer wichtiger Bereich, der beim Klettern gefördert wird, ist die Schulung der Motorik und der Koordination. Das Klettern an einer Kletterwand bietet für alle Altersstufen abwechslungsreiche und vielfältige Bewegungsmöglichkeiten, sodass umfangreiche motorische Erfahrungen gemacht werden können. Kletterwände mit variablen Elementen und Griffen ermöglichen es, die Routen nach belieben umzubauen, denn nur so gibt es Variation und es wird nicht derselbe Bewegungsablauf immer wieder wiederholt. Alle motorischen Abläufe werden einerseits durch physiologische Voraussetzungen (z.B. Muskelkraft und Ausdauer) bestimmt, andererseits durch Informationsverarbeitungsprozesse im Gehirn. Klettert ein Kind z. B. an einer Kletterwand hoch, setzt das zum einen voraus, dass seine Muskulatur und Kraft entsprechend ausgeprägt sind, zum anderen, dass es die Entfernungen zwischen den Tritten, den Griffen und zur nächsten Zwischensicherung richtig abschätzen kann. Die physiologische Ausstattung und die Informationsverarbeitung sind also eng miteinander verzahnt und legen fest, wie weit ein Kind in seiner motorischen Entwicklung insgesamt fortgeschritten ist. Beim Klettern werden gerade diese Fähigkeiten trainiert und auf Dauer verbessert. Somit können mit der Zeit einzelne oder komplexere Bewegungshandlungen an der Kletterwand immer besser umgesetzt werden. Solche Fähigkeiten, wie etwa die Schnellkraft oder die Kraftausdauer, werden durch das ständige Üben beim Klettern auf lange Sicht aufgebaut. Die Schüler lernen ihre Kräfte richtig einzusetzen und mit den eigenen Fähigkeiten umzugehen, sodass sie mit der Zeit auch die schwierigeren Routen erfolgreich durchsteigen und sich ihre Reserven einteilen können.
Klettern ist in ganz besonderem Maße den kognitiven Fähigkeiten dienlich, insbesondere fördert es Problemlösungsfertigkeiten, die Konzentration und die Fähigkeit, Handlungskonzepte zu entwickeln. Die Suche nach dem richtigen Weg nach oben und die Umsetzung eines zurechtgelegten Plans, wie Schwierigkeiten überwunden werden können, sind elementare Bestandteile dieses Sports. Für schwierige Kletterprobleme gibt es manchmal nur wenige Lösungsmöglichkeiten oder im Extremfall vielleicht sogar nur eine. Die Aufgabe ist es, solche Kletterprobleme erfolgreich zu meistern, Lösungsmöglichkeiten zu finden und nicht gleich aufzugeben. Das Ziel ist es, ohne einen Sturz, nach oben zu gelangen. Durch das Klettern wird das Bedürfnis geweckt, die eigenen Grenzen immer weiter auszudehnen und Ängste zu kontrollieren. Auf diese Weise kommt ein volles Körpererleben zustande, das mit einem starken Selbstwertgefühl einhergehen kann. Es entsteht ein positiver Lerneffekt durch das Erfolgserlebnis. Schüler brauchen solche positiven Erfahrungen beim Lernen, um motiviert zu bleiben. Beim Klettern gibt es zunächst eine Herausforderung und einen gewissen Kraftaufwand, der die motorischen Fähigkeiten schult. Wenn der Aufstieg dann geschafft ist, werden die Kinder durch die an dere Aussicht und das Gefühl, es geschafft zu haben, belohnt.
Darüber hinaus lernen Kinder und Jugendliche aufeinander zu achten. Beim gegenseitigen Sichern stärken sie ihr Verantwortungsund Selbstbewusstsein und lernen gut miteinander umzugehen. Im schulischen Bereich geht es oft um Ausdauer, Konzentration, Aufmerksamkeit, sich Ziele setzen oder “sich spüren”. All diese Komponenten können mit speziellen Routen und unter Anleitung geübt werden. Durch die besondere Art der zu erbringenden Leistung, ein Ziel (das Bewältigen einer Kletterstrecke) zu erreichen, wird spielerisch die Lust an der Leistung geweckt. In der Schule können mit Hilfe des Sportkletterns soziale Erfahrungen und Lernerfolge sehr gut vermittelt werden. Die Bewältigung von Grenzsituationen hat dabei eine besondere Bedeutung. Dazu gehört auf der einen Seite das kontrollierte Eingehen von Risiko- Wagnis-Situationen durch den Kletterer und auf der anderen Seite die Verantwortungsübernahme durch den Sichernden. Gerade das Eingehen des Wagnisses ist eine Grenzsituation, in der die Schwierigkeit der Aufgabe und die eigenen Fähigkeiten realistisch abzuschätzen sind. Die Schüler lernen, die Folgen für sich und andere, verantwortlich zu kalkulieren. Verantwortliches Handeln wird dadurch nicht nur theoretisch, sondern echt und lebensnah erfahren.
Die meisten Schüler waren zuvor nur in wenigen Lebenszusammenhängen so weitgehend aufeinander angewiesen wie jetzt beim Klettern. Das Sichern des Kletterpartners verlangt vom Sichernden andauernde Konzentration und Wachsamkeit. Der Kletternde muss sich in jeder Situation hundertprozentig darauf verlassen können, dass er im Falle eines Sturzes gehalten wird. Schwierigkeiten bei der Wahl des Sicherungs- bzw. Kletterpartners bereitet das Unvermögen Vieler, den Körper und somit die generelle Verantwortung für die eigene Sicherheit fremden Händen zu übergeben. Die Schüler lernen, dass Freude und Erfolg sich dann einstellen, wenn das soziale Klima in der Gruppe durch Freundschaft und Hilfsbereitschaft geprägt ist, wenn man sich gegenseitig auf Griffe und Tritte hinweist, selbst herausgefundene „Tricks“ verrät und sich in kniffligen Situationen gegenseitig Mut zuspricht. Solch eine Atmosphäre kann auch einen Raum schaffen, für einen konstruktiven Umgang mit bestehenden Konflikten zwischen einzelnen Schülern. Als Resümee kann gesagt werden: Klettern ist ein Bewegungserlebnis mit ganz unterschiedlichen Facetten: Klettern ist körperlich ganzheitlich. Es schenkt Hochgefühle, fördert die Selbstüberwindung und schafft Verständnis für die Natur. Klettern hält nicht nur fit, es ist außerdem pädagogisch sehr wertvoll. Gleichzeitig stellt es hohe Anforderungen an Technik, Ausdauer, Kraft und Konzentration. Deshalb sind kompetente Anleitung, richtiges Training und Trainingsmöglichkeiten und praktische Erfahrung unverzichtbar. Nur so bringt Klettern dauerhaft Spaß und Erfolg. Eine gezielte Bewegungsförderung in der Schule, mit Hilfe des Kletterns, verbessert die motorische Leistungs- und Koordinationsfähigkeit entscheidend. Andreas Fett (L) Betreuer der Klettergruppe der Magdalenenschule